Die globale Teilung: Linksverkehr und Rechtsverkehr verstehen
Die weltweiten Straßen sind heute in zwei Systeme unterteilt:
- Rechtsverkehr (RHT): Fahrzeuge fahren auf der rechten Straßenseite (ungefähr 75% aller Straßen weltweit)
- Linksverkehr (LHT): Fahrzeuge fahren auf der linken Straßenseite (ungefähr 25% aller Straßen weltweit)
Diese Teilung beeinflusst nicht nur, auf welcher Straßenseite wir fahren, sondern auch das Fahrzeugdesign, mit speziell hergestellten Rechtslenker- (RHD) und Linkslenker-Fahrzeugen (LHD) für jedes System.
Aber wie entstand diese Teilung? Und warum hat sich die Welt nicht auf ein einziges System standardisiert? Die Antworten liegen in der menschlichen Psychologie, der alten Geschichte und der modernen Politik.
Die psychologischen und historischen Ursprünge der Verkehrssysteme
Die Wurzeln unserer geteilten Verkehrssysteme lassen sich auf grundlegende menschliche Psychologie zurückführen:
- Rechtshändige Dominanz: Ungefähr 90% der Menschen sind Rechtshänder, was frühe Reisegewohnheiten beeinflusste
- Schutzinstinkt: Reisende, die Waren mit ihrer dominanten rechten Hand trugen, hielten sich natürlicherweise auf der rechten Seite der Wege
- Militärische Traditionen: Bewaffnete Personen zogen es vor, ihre Waffenhand (typischerweise rechts) näher an potenziellen Bedrohungen zu halten, was den Verkehr auf der linken Seite begünstigte
Diese gegensätzlichen Tendenzen schufen eine frühe Teilung in den Verkehrsmustern:
- Linksverkehr blühte in Regionen mit starken militärischen Traditionen auf (wie dem Römischen Reich)
- Rechtsverkehr entwickelte sich in Gebieten, in denen friedliches Reisen häufiger war
Die Entwicklung der Verkehrssysteme im mittelalterlichen und kolonialen Europa
Während des Mittelalters begann Europa, formellere Verkehrsregeln zu etablieren:
- Die meisten kontinentaleuropäischen Regionen übernahmen den Rechtsverkehr
- England behielt den Linksverkehr bei und formalisierte ihn mit dem “Road Act” von 1776
- Napoleon erweiterte den Rechtsverkehr im frühen 19. Jahrhundert erheblich in seinen eroberten Gebieten
Diese europäische Teilung würde globale Folgen haben, als Kolonialmächte ihre bevorzugten Systeme verbreiteten:
- Das Britische Empire exportierte den Linksverkehr in seine Kolonien, darunter:
- Indien
- Australien
- Hongkong
- Viele afrikanische Nationen
- Teile der Karibik
- Kontinentaleuropäische Mächte (Frankreich, Spanien, Portugal usw.) verbreiteten generell den Rechtsverkehr in ihren Kolonien
Japan übernahm den Linksverkehr, als britische Ingenieure die erste Eisenbahn des Landes bauten, was zeigt, wie die Infrastrukturentwicklung Verkehrsmuster über die direkte koloniale Kontrolle hinaus beeinflusste.

Die Automobilrevolution und die Gestaltung der Verkehrssysteme
Die Erfindung des Automobils schuf neue Überlegungen für Verkehrssysteme:
Frühe Lenkungsentwicklung (1890er-1910er)
- Die ersten Autos verwendeten am Boden montierte Steuerhebel, wobei die Fahrer typischerweise auf der linken Seite saßen
- Der Übergang zu Lenkrädern erforderte die Bestimmung der optimalen Fahrerposition
- Anfänglich saßen die Fahrer auf der Seite, die dem Bordstein am nächsten war, für einen leichteren Ausstieg
- Henry Fords Model T von 1908 führte die Linkslenkung im Rechtsverkehr ein
Konkurrierende Designphilosophien
- Europäische Hersteller für den Massenmarkt folgten schließlich Fords Beispiel
- Luxus- und Hochgeschwindigkeits-Autohersteller behielten zunächst Rechtslenker-Positionen bei
- Sicherheitsüberlegungen entstanden bezüglich des Fahrerausstiegs (Gehweg vs. Fahrbahn)
In den 1920er Jahren wurden die meisten Fahrzeuge so konzipiert, dass der Fahrer auf der Seite saß, die dem entgegenkommenden Verkehr zugewandt war, was zum Standardansatz wurde.
Die globale Verschiebung zum Rechtsverkehr (1900-1970er)
Das 20. Jahrhundert erlebte eine bedeutende Verschiebung zum Rechtsverkehr in zuvor linksfahrenden Ländern:
- Belgien (1899)
- Portugal (1928)
- Spanien (1930)
- Österreich und die Tschechoslowakei (1938)
Schwedens berühmter “Tag H”-Wechsel (1967)
Schwedens Übergang vom Links- zum Rechtsverkehr stellt eine faszinierende Fallstudie dar:
- Obwohl 83% der Schweden in einem Referendum von 1955 für die Beibehaltung des Linksverkehrs stimmten
- Das schwedische Parlament genehmigte den Wechsel um 5:00 Uhr morgens am 3. September 1967 (bekannt als “Dagen H” oder “Tag H”)
- Alle Fahrzeuge wechselten einfach zur entgegengesetzten Straßenseite zum festgelegten Zeitpunkt
- Die Unfallraten sanken zunächst drastisch, da die Fahrer extreme Vorsicht walten ließen
- Innerhalb von Monaten kehrten die Unfallzahlen zu den vorherigen Normen zurück
Island folgte dem Beispiel Schwedens mit seinem eigenen “Tag H”-Wechsel im Jahr 1968.
Linksverkehr heute: Länder und Ausnahmen
Im modernen Europa behalten nur vier Länder den Linksverkehr bei:
- Vereinigtes Königreich
- Irland
- Malta
- Zypern
Weltweit setzen ungefähr 76 Länder und Territorien weiterhin auf Linksverkehr, darunter:
- Japan
- Australien
- Neuseeland
- Indien
- Südafrika
- Viele karibische, afrikanische und südostasiatische Nationen
Interessante Ausnahmen und Sonderfälle
Selbst innerhalb von Ländern mit etablierten Verkehrssystemen gibt es Ausnahmen:
- Odessa (Ukraine) hat ausgewählte Straßen mit Linksverkehr, um Staus zu bewältigen
- St. Petersburg (Russland) verfügt über einige Straßen mit Linksverkehr in seinem historischen Zentrum
- Paris hat eine einzige Straße mit Linksverkehr (Avenue General Lemonnier)
Grenzregionen zwischen Ländern mit unterschiedlichen Systemen verfügen oft über speziell gestaltete Verkehrskreuzungen, um den Verkehr sicher von einem System zum anderen zu leiten.
Fahren von “Falsche-Seite”-Fahrzeugen: Vorschriften und Herausforderungen
Das Fahren von Autos, die für ein Verkehrssystem konzipiert sind, in Ländern mit dem entgegengesetzten System schafft einzigartige Herausforderungen:
Zulassungs- und Importvorschriften
- Australien: Verbietet Linkslenker-Fahrzeuge, es sei denn, sie werden umgebaut
- Neuseeland: Erfordert spezielle Genehmigungen für “falsche-Seite”-Fahrzeuge
- Slowakei und Litauen: Verbieten die Zulassung von Rechtslenker-Fahrzeugen vollständig
- Russland: Hat eine einzigartige Situation, in der Rechtslenker-Importe aus Japan in östlichen Regionen üblich sind, obwohl es ein Land mit Rechtsverkehr ist
Praktische Überlegungen für das Fahren auf der “falschen Seite”
Das Fahren eines Fahrzeugs, das für das entgegengesetzte Verkehrssystem konzipiert ist, bietet mehrere Vorteile:
- Unterschiedlicher Aufprallschutz: Im Rechtsverkehr platziert ein Rechtslenker-Fahrzeug den Fahrer weiter entfernt von Frontaufprall-Punkten
- Diebstahlabschreckung: “Falsche-Seite”-Fahrzeuge sind in einigen Regionen für Diebe weniger attraktiv
- Neue Perspektive: Eine andere Fahrerposition bietet einen frischen Blickwinkel auf die Straßenverhältnisse
Der Hauptnachteil ist die Herausforderung des sicheren Überholens, was typischerweise zusätzliche Spiegelsysteme oder Fahrerassistenz erfordert.

Links vs. Rechts: Verkehrssysteme im Vergleich
Beim objektiven Vergleich der beiden Systeme:
Vorteile der Standardisierung
- Vereinfachte Fahrzeugherstellung
- Einfacheres internationales Reisen
- Reduzierte Komplexität beim Grenzübertritt
Aktuelle globale Verteilung
- Ungefähr 66% der Weltbevölkerung nutzt den Rechtsverkehr
- Etwa 28% der weltweiten Straßen nutzen den Linksverkehr
- Der grundlegende Unterschied ist einfach ein Spiegelbild der Praktiken
Praktische Tipps für internationale Fahrer
Für Reisende, die auf ungewohnte Verkehrssysteme treffen:
- Besorgen Sie einen internationalen Führerschein vor der Reise
- Üben Sie mental, sich Fahrmuster vor der Ankunft vorzustellen
- Verwenden Sie Erinnerungshilfen wie einen Hinweis auf dem Armaturenbrett über die lokale Verkehrsrichtung
- Seien Sie besonders vorsichtig an Kreuzungen und beim Anfahren nach Stopps
- Erwägen Sie Mietfahrzeuge, die für lokale Bedingungen konzipiert sind, anstatt Ihr eigenes Fahrzeug mitzubringen
Die meisten Fahrer passen sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase überraschend schnell an das entgegengesetzte Verkehrssystem an. Der Schlüssel liegt darin, wachsam zu bleiben und sich der Unterschiede bewusst zu sein, bis sie zur zweiten Natur werden.

Veröffentlicht März 14, 2017 • 8 m zum Lesen