Viele Jahre lang vernachlässigte die Repräsentanz von General Motors die Steuerbelastung für Cadillac-Besitzer. Ein seltener Cadillac konnte sich einer Vorzugsleistung rühmen. Es gibt jetzt ein anderes Extrem. Der neue 2.0 LSY-Turbomotor des vollwertigen XT6-Crossovers wird von den bereits profitablen 241 PS auf 200 PS heruntergeregelt. Oder besser gesagt bis zu 199,9 PS laut Fahrzeugbrief. Ja, die Steuer wird in diesem Fall um fast die Hälfte reduziert. Aber ist das bei einem so teuren Auto wirklich wichtig? Es wird nicht mit dem letzten Geld des Kunden gekauft. Aber 40 Pferde werden, wie der Test zeigt, definitiv nicht überflüssig sein.
Der sechzehn Fuß lange XT6 schließt mit seiner großen Karosserie die Lücke zwischen dem Escalade, mit dem sie sich einen geräumigen Innenraum mit drei Sitzreihen teilen, und dem mittelgroßen XT5. Mit letzterem teilt sich der XT6 eine Plattform mit einem quer montierten Triebwerk und einem Allradantrieb. Oder besser gesagt, Pläne. Es stehen außerdem zwei Optionen zur Auswahl.
Die Premium-Luxus-Konfiguration verfügt über zwei Kupplungen: eine Mehrscheibenkupplung im Abschnitt der rechten Hinterachse und eine Nocke im GKN-Verteilergetriebe. Beim Trennen entlasten sie eine Antriebswelle von der Arbeitslast, um mechanische Verluste zu reduzieren und Kraftstoff zu sparen. In der Sportversion kommt eine weitere Kupplung für die linke Hinterachse hinzu. Dadurch wird das Differenzial abgeschafft und es wird möglich, den noch spärlichen Schubvektor zu kontrollieren – ein Zweiliter-Turbovierzylinder leistet nicht mehr als 350 Nm.
Mir gefällt das Aussehen des Cadillac. Vertikale Lauflichter, die in ihrer Größe mit den Scheinwerfern konkurrieren, wirken etwas prätentiös, beeinträchtigen aber nicht die Integrität des Bildes. Die Schweller sind mit Türen abgedeckt, aber durch die Gummis gelangt marokkanischer Staub ins Innere. Die Bögen der Hinterräder blieben völlig wehrlos. Passagiere der zweiten und dritten Reihe sollten beim Einsteigen in das Auto vorsichtig sein.
Der Deckel des geräumigen Kofferraums verfügt über einen Elektroantrieb mit Bewegungssensor, es gibt jedoch keine Vorrichtungen zur Fixierung der Ladung im Fach. Die dritte Reihe wird automatisch ein- und ausgeklappt, während die zweite Reihe nur aus der Ferne ein- und ausgeklappt werden kann. Die Rückenlehnen bilden einen ebenen Boden. Näher an der fünften Tür gibt es ein Fach, in dem Sie einen Vorhang verstecken können. Noch tiefer, unter der herausnehmbaren Ablage neben dem Reserverad, befindet sich eine abnehmbare Anhängerkupplung, die ebenfalls serienmäßig enthalten ist.
Ein dreisitziger Stuhl kann kostenlos durch ein Paar separater Sitze ersetzt werden, und nur solche sechssitzigen Autos sind beim Test in Marokko vertreten. Auch wenn es nicht möglich war, auf einer festen Sitzreihe zu sitzen, sehe ich dennoch mehr Sinn darin. Zumindest fliegt das Gepäck nicht durch den Gang zwischen den Sitzen in die Kabine.
Hinten gibt es jede Menge Platz, und mit meinen 1,75 m ist es in der hinteren Reihe auch nicht schlecht. Ein größerer Kollege (1,80 m) bemerkt die geringe Sitzhöhe – die Knie befinden sich fast in Ohrennähe. Außerdem gibt es keinen Platz für die Füße: Sie passen nicht unter den Vordersitz. Dennoch kann die dritte Reihe nicht als reine Kinderreihe bezeichnet werden.
Der Innenraum ist nach dem Prinzip „Super Rich“ getrimmt. Das Platinum-Paket umfasst Semianilinleder, dessen Reibungseigenschaften zu wünschen übrig lassen, und eine Decke mit Alcantara-Besatz. Ich hatte gemischte Gefühle: Es scheint elegant zu sein, aber es gibt schon eine kleine Überdosis an Texturen. Die Sicht nach vorn wird durch die dicken Vordersäulen getrübt, dafür kommt das Wischerblatt fast ganz nach links.
Wenn alle hinteren Kopfstützen umgeklappt sind, können Sie die Straße im Rückspiegel sehen. Aber auch ein digitaler Modus, bei dem die Spiegelung durch ein Bild der Kamera ersetzt wird, ist für ein dreireihiges Auto durchaus angebracht. Mit dem Auflösungsspielraum können Sie die Betrachtungshöhe und den Betrachtungswinkel leicht anpassen. Mir gefällt das Bild, obwohl es eine Neufokussierung des Auges und damit der Gewohnheiten erfordert. Zudem erhitzen sich das Gehäuse und der Spiegel dabei stark. Sie können das reflektierende Element jedoch auf die hintere Reihe richten und bei ausgeschalteter Kamera die Passagiere beobachten. Die Eltern werden es zu schätzen wissen.
Der Clou des Multimediasystems ist das NFC-Modul: Sie bringen einfach ein kompatibles Android-Smartphone an den Tag und stellen eine Bluetooth-Verbindung her. Für iPhones ist eine App erforderlich. Die neumodischen USB-C-Anschlüsse werden sinnvollerweise durch USB-A-Steckplätze dupliziert. Im Mitteltunnel vor der Armlehne befindet sich eine Nische zum vertikalen kabellosen Laden, in die ein ziemlich großes iPhone Plus in einer Hülle passt. Nun, es ist unmöglich, den Start noch weiter hinauszuzögern.
Die Fähigkeiten eines 200-PS-Turbomotors reichen für den zwei Tonnen schweren Crossover nicht aus. In der Beschleunigung ist kein Platz für Emotionen. Es zieht reibungslos – das ist in Ordnung. Es nützt nichts, es auf die Spitze zu treiben: Eine besondere Dynamik wird man sowieso nicht erreichen. Der Schub reicht gerade aus, um den Cadillac im zivilen Modus nicht als Gemüse zu bezeichnen. Allerdings erfordert das Überholen bei Geschwindigkeiten über 60 Meilen pro Stunde Spannung. Aber auch der gedämpfte, wenn auch leicht harsche Sound des Vierzylinders ist auf seine Art angenehm. Und das Neungang-Automatikgetriebe schaltet sanft und absolut nahtlos.
Generell gibt es im Premiumsegment kein Familienauto mit einem derart bescheidenen Energieinhalt. Da fällt mir nur der 200 PS starke siebensitzige Discovery Sport ein, der allerdings um mehr als eineinhalb Zentner leichter und dynamischer ist. Angesichts der Rekordbeschleunigung auf 60 Meilen pro Stunde in 9,9 Sekunden liegt der Cadillac genau richtig, um Massenmodellen Konkurrenz zu machen. Die koreanischen Santa Fe und Sorento Prime mit toten 2,4-Saugmotoren sind ihm nur um eine halbe Sekunde unterlegen. Interessanterweise werden die gleichen zehn Sekunden für den kompakteren Cadillac XT5 beansprucht.
Die Isolation gegenüber Außengeräuschen ist nicht schlecht: dank der vorderen Doppelverglasung. Ich schließe nicht aus, dass auch das permanente aktive Geräuschreduzierungssystem von Bose dazu beiträgt. Doch die Laufruhe mit adaptiven Stoßdämpfern ist mangelhaft. Kleine Unregelmäßigkeiten sowie scharfkantige Vertiefungen gelangen mit lästigen Stößen in die Kabine. Die Frequenzweiche wackelt unter dem Einfluss einer kurzen Welle und zeigt auf rauem Asphalt eine Empfindlichkeit gegenüber Mikroprofilen. Ich weiß nicht, wie sich der XT6 mit herkömmlichen Stabilisatoren verhält – solche Autos gibt es in Marokko nicht.
Allerdings haben solche Einstellungen einen Grund. Auf Bewegungen am Lenkrad reagiert das schwere Auto leichtfüßig: deutlich und schnell. Es gibt fast keine Trägheit in den Reaktionen, auch die Rollen sind gering. Die Rückstellkraft am Lenkrad ist moderat und steigert sich logischerweise. Provokationen bei hoher Geschwindigkeit begegnet das Stabilisierungssystem, das bei den wenigsten Gelegenheiten auf die Bremse greift. Doch enge marokkanische Straßen, die keinen Spielraum lassen, erschweren die Beurteilung des Verhaltens des Cadillac in extremen Modi. Es ist wirklich beängstigend, die Geschwindigkeit auf einer Bergspirale einen halben Meter vom Abgrund entfernt zu erhöhen. Zudem ist der Gegenverkehr plötzlich und wild.
Die träge Dynamik und das ohnehin schon gespannte Fahrwerk ermutigen zwar nicht zum Einsatz eines Sportmodus, aber er ist vorhanden. Wie üblich komplex: Es ist unmöglich, die Einstellungen verschiedener Komponenten separat zu ändern. Zusätzlich ist die Aufhängung geklemmt, wodurch das Gelände detaillierter wiedergegeben wird. Das Lenkrad wird schwer, allerdings nicht zu Lasten der Aussagekraft. Das Gaspedal wird zwar nicht reaktionsschneller, aber das Automatikgetriebe schaltet häufiger in niedrigere Gänge und hält den aktuellen Gang zum Verzögern länger.
Der Sportmodus ist nur für Journalisten nützlich. Dies macht es einfacher, den Unterschied im Verhalten einer Frequenzweiche bei verschiedenen Getriebearten zu erkennen. Auf trockenem Asphalt zeichnet sich der X6 Sport ohne Differenzial nur dadurch aus, dass er mit Gas etwas aktiver in die Kurve geht als ein Auto mit zwei Kupplungen. Auf Schotter ist der Unterschied deutlicher. Hier wirkt Sport spielerisch: Es deutet deutlicher auf die mögliche Entwicklung eines Schleuderns hin. Allerdings greift die Elektronik ohnehin ein, bevor der Ausrutscher beginnt – Sicherheit geht vor.
Die Bremsen gefallen mir nicht. Das Pedal ist fest und wackelig, es gibt absolut nicht genügend Informationen. Und auch die Verzögerungseffizienz lässt zu wünschen übrig: Der XT6 stoppt mit letzter Kraft. Offroad ist übrigens auch nichts für den Cadillac, der über eine reine Passagiergeometrie verfügt. Sobald Sie von der Straße abbiegen, liegt die vordere Stoßstange an der ersten Unebenheit an. Auch die Traktionskontrolle ist nicht sehr smart: Es fühlt sich an, als würde die Elektronik bei fehlender Traktion alle Räder auf einmal abbremsen. Du gibst Gas und das Auto steht.
Im wirklichen Leben wird der Cadillac eher wie ein großer Familienkombi oder Minivan wahrgenommen, wenn man die Sitzplätze mitzählt. Trotz seines Allradantriebs sollte man ihn besser nicht in die Liste der Geländewagen aufnehmen. Es ist eine ganz normale Alternative als Stadt- oder Vororttransportmittel zum Beispiel zum älteren Infiniti QX60.
Auch der teurere Lexus RX 350L ist meiner Meinung nach nicht besser als der Cadillac. Aber der Volvo XC90 ist noch interessanter. Ganz zu schweigen vom kürzlich aktualisierten Audi Q7. Natürlich sind europäische Modelle in optimaler Konfiguration teurer, aber sie sind mit den beliebtesten Dieselmotoren auf unserem Markt ausgestattet. Ich fürchte, zweihundert Benzin-PS werden den Cadillac nicht in nennenswerte Positionen bringen.
Dies ist eine Übersetzung. Das Original können Sie hier lesen: https://www.drive.ru/test-drive/cadillac/5e6a1cb4ec05c4d004000015.html
Veröffentlicht Januar 19, 2023 • 10 m zum Lesen